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Rezensionen

3.5.14

Eine Polemik von Ulrich Bertram und
die Anmerkung von Arno Kaiser dazu

 Welche Anmaßung!
Gegen Gaßmanns „Kritik der Wertphilosophie“


von Ulrich Bertram

Wir Werte und Normen-Lehrer werden in diesem Buch indirekt als Spinner, Verdummer und Ideologen beschimpft. Unsere tägliche Arbeit, den Schülern Werte zu vermitteln, wird unterminiert, indem die Werttheorien als irrational denunziert werden. Das ist die Standardkritik an Philosophien, die moralische Werte und überhaupt moralische Regeln aufstellen und erörtern. Wenn eine Philosophie einem nicht passt, dann zeiht man sie des Irrationalismus. So nichtssagend dieser Vorwurf ist, so absurd ist die Anmaßung des Autors, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu besitzen. Wie kommt jemand dazu, überhaupt noch in der Philosophie von Wahrheit zu sprechen? Ist nicht der Pluralismus von Lebensweisen und deshalb auch Philosophien das Selbstverständliche? Der Autor sollte sich einmal klarmachen, dass es auch so etwas wie den gesunden Menschenverstand gibt. Der hätte ihm gesagt, dass man als Lehrer die Pflicht hat, sich den Richtlinien der Regierung anzupassen – und die sind immerhin demokratisch zustande gekommen. Wenn man seinen Beruf ausüben will, dann gilt: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Anstatt sich auf den gesunden Menschenverstand zu verlassen, versucht der Schreiber dieser „Kritik der Wertphilosophie“ den Lehrern und den Anhängern von Werten ihr Wertedenken zu zersetzen.

Trotz aller Polemik gegen die „Kritik der Wertphilosophie“ will ich nicht verschweigen, dass Gaßmann auch argumentiert. Ich will aber hier nicht auf die Werttheorien im Einzelnen eingehen, sondern das Konzept grundsätzlich kritisieren.

Der Autor behauptet - gegen den Konsens fast aller heutigen Philosophen – seine Vorstellungen von Moral seien allgemeingültig und notwendig begründet, indem er sich auf die transzendentale Deduktion des Moralgesetzes bei Kant bezieht, das er als einziges Moralkonzept akzeptiert. Doch diese Anmaßung ist längst widerlegt. In moralischen Dingen kann man nur pragmatisch argumentieren, da gibt es nichts Allgemeingültiges und Notwendiges, also sind auch die Werttheorien, die er kritisiert, als pragmatische Vorschläge zu betrachten und eventuell auf ihre Reichweite zu überprüfen. Sie sind aber keine Ideologie, wie Gaßmann meint. Oder anders gesagt, alles ist Ideologie im neutralen Sinne von Ideenlehre. Wenn der Autor den Satz eines Wertphilosophen zitiert: Man müsse die kulturell minderwertigen Völker durch „Feuerwaffen und Feuerwasser“ vernichten, dann ist das aus der Zeit des Imperialismus heraus zu verstehen, hat aber nichts mit der eigentlichen Werttheorie zu tun. Und wenn moralische Werte nicht universell gelten kraft ihrer Begründung, dann besteht immer noch die Möglichkeit auf der Erde, einen Konsens zu finden, verschiedene Wertvorstellungen miteinander in einen Kompromiss zu vereinigen, sodass Gaßmanns Konsequenz, Werte als Handlungsgrund führe zu einem Krieg aller gegen alle, nicht schlüssig ist: Es genügt in moralischen Fragen, zu einem Konsens zu kommen, das Hintergrundverständnis und die letzten Tiefen der Gründe müssen nicht für alle gelten, das wäre für eine moderne, weltanschaulich pluralistische Gesellschaft eine weltfremde Erwartung. Und weltfremd sind deshalb auch die Ansichten des Autors.

Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das uns einen nie gekannten Wohlstand gebracht hat. Deutschland ist kraft seiner Industrie wieder wer in der Welt. Doch das hält linke Spinner nicht davon ab, gegen diese beste aller möglichen Ökonomien zu hetzen. Dass Gaßmann in seinem ganzen Buch die Tendenz hat, den Kapitalismus schlecht zu reden, ist schon nicht mehr verwunderlich, wenn selbst der Papst dieses Wirtschaftssystem verteufelt. Das ermuntert die ehemaligen 68er aus ihrem Marsch durch die Institutionen, in denen sie sich heimisch etabliert hatten, wieder hervorzukriechen, um erneut ihre gefährlichen Utopien auszuplaudern.

Es reicht. Wir wollen keine Experimente mehr und deshalb brauchen wir auch keine Philosophie, die so etwas fordert. Zum Glück sind die Deutschen längst kein Land der Dichter und Denker mehr, sie sind Pragmatiker geworden, saufen vielleicht etwas zu viel, haben aber keine philosophischen Interessen mehr und werden den Schmöker über Wertphilosophie souverän ignorieren. Die Leute holen sich ihre Weltanschauung aus dem Fernsehen – und da gilt nur das, was sich in Bildern darstellen lässt, keine hochtrabenden Spekulationen und abstrakten Begründungen. Die Logik ist ihnen – außerhalb ihres Berufes – ein spanischer (Folter-)Stiefel.

Warum beschäftigt sich das Buch von Gaßmann mit vergangenen philosophischen Positionen, und zwar von Autoren, die heute kaum noch jemand kennt? Genügt es nicht einfach, dass wir Werte haben und danach leben wollen? Warum muss alles bis ins Kleinste begründet werden? Alle Menschen haben gleiche Rechte – das ist ein Wert, wer will eine solche Selbstverständlichkeit bestreiten? Und wenn Orientalen kommen, um das zu bestreiten, dann sollen sie wieder gehen, wenn es ihnen nicht passt. Die Geschichte ist nun einmal so geworden, wie sie ist, daran können wir nichts ändern – warum also veraltete Doktrin ausgraben? „History is bunk“ (Geschichte ist Mumpitz) hatte schon Henry Ford, der Erfinder der Fließbandproduktion gesagt, also weg mit dem alten Kram. Ich gehe deshalb auch nicht auf diese alten Theoriekamellen ein. Nur soviel, Gaßmann behauptet, dass alle ihre Begründungen von moralischen Werten irrational seien. Sie kämen aus der Intuition von Edelspießern und drückten nur deren Klassenstandpunkt aus, wären also historisch, obwohl sie sich als überhistorisch ausgeben. Nun frage ich, wo gibt es etwas Neues, das nicht auf der Intuition dessen beruht, der zuerst diesen Gedanken im Kopf hatte? Seien wir doch froh, dass wir so großartige Denker hatten, die unser heutiges Weltbild geformt haben. „Was du ererbst von deinen Vätern, bewahre es …“ hat schon der alte Goethe gesagt.

Soll Moral mehr sein als rhetorische Beeinflussung, dann setzt das ein identisches Ich voraus, auf dem dann auch die Autonomie des Individuums beruhen soll. Doch solch eine Ich-Identität gibt es nicht, also auch keine Autonomie im kantischen Sinne. Kant funktioniert nicht. Unser Ich ist nur ein Bündel von Wahrnehmungen, Erinnerungen, Vorstellungen und Antizipationen – es ist ständig im Fluss. Wie soll da eine notwendige und allgemeine Bestimmung der Moral wirken? Wir reagieren immer entsprechend den Umständen, in denen wir uns befinden, und diese sind unendlich vielfältig. Ganz abgesehen davon, ob sich solch eine Moralbestimmung überhaupt begründen lässt. Wir können immer nur pragmatisch davon ausgehen, dass wir Vorstellungen entwickeln und vorschlagen, die den Menschen momentan einleuchten – oder auch nicht. Mehr geht nicht.

Während wir Ethik-Lehrer uns bemühen, der Jugend Werte zu lehren, legt Gaßmann Hand an die Wurzel der Moral. Man kann deshalb sein Buch nicht anders verstehen als moralischen Nihilismus. Wer die Werte als Werte untergräbt, der argumentiert amoralisch, der will Gewalt an die Stelle der Moral setzen. Wer die Werte als Werte untergräbt, verführt die Jugend zur Amoralität, Rowdytum und Gesellschaftsfeindlichkeit. Man sollte solchen Schreiberlingen, wie es der Autor dieser „Kritik“ ist, das Handwerk legen. Manchmal kommen mir solche Gedanken hoch: Hätten wir noch die DDR oder die Reichsschriftumskammer, dann säße er zu Recht wegen Staatsverleumdung oder Zersetzung im Gefängnis.

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Eine Anmerkung zur Rezension:
„Welche Anmaßung!“

von Arno Kaiser

In den sechziger Jahren, als Alternativverlage aus dem Boden schossen, sah ich diese Vielfalt noch als Humus an, auf dem eine undogmatische Linke ihre Ideen pflanzen konnte. Mao gab damals das Stichwort dazu: Lasst tausend Blumen blühen. Inzwischen hat sich letzteres als Trick erwiesen, seine Gegner in die Öffentlichkeit zu locken, um sie dann einzusperren. Und ich gehe nicht mehr von einem pluralistischen Humus aus, sondern von einer verkalkten Landschaft, in der nur noch Wüstenblumen gedeihen können. Beleg dafür ist die vorliegende Rezension von Ulrich Bertram, in der alle Vorurteile, die man sich denken kann, ausgesprochen werden. Hier äußert sich der Verrat der Intellektuellen am Geist, den auch Gaßmann in seinem Werk „Kritik der Wertphilosophie“ nachweist.

„Pluralismus“ ist eine Bestimmung der Öffentlichkeit, aber keine der Wissenschaft. Kein Ingenieur würde eine alternative Physik heranziehen, wenn er eine Brücke baut, kein Elektriker lehnt das Ohmsche Gesetz ab, weil es irgendwelche Spinner oder Philosophen gibt, die es bestreiten. Wenn Philosophie etwas mit Wissenschaft zu tun hat, dann kann sie nicht widersprechende Philosopheme gelten lassen. Entweder das Problem ist noch nicht gelöst, dann muss man sich streiten, oder es ist gelöst, dann gilt eine These allgemein und notwendig und nichts weiter. Dass man feste Thesen immer wieder neu reflektieren muss, z. B. weil im System des Wissens neue Einsichten entwickelt wurden, ist eine andere Frage. Aber daraus das pluralistische Geltenlassen von sich widersprechenden Ansichten ableiten zu wollen, ist ein unbegründeter allgemeiner Skeptizismus. Gegen diesen kann man zwei Argumente vorbringen, die mir einleuchtend erscheinen:

1. Ein allgemeiner Skeptizismus leidet unter einem Selbstwiderspruch: Er behauptet, alles ist zweifelhaft – der Satz aber „alles ist zweifelhaft“ steht für ihn als feste Wahrheit da. Das aber ist widersprechend, und was sich widerspricht ist falsch.

2. An allem zu Zweifeln angesichts der Tatsache, dass (so jedenfalls vor ein paar Jahren) sich das Wissen der Menschheit alle acht Jahre verdoppelt und dieses Wissen sich auch in der menschlichen Praxis bewährt, kann nur ein weltfremder Philosoph behaupten, der vielleicht einige Bücher seiner skeptizistischen Schule gelesen hat, sonst aber theorie-autistisch alles andere ausblendet.

Legt man diese Kritik am Skeptizismus der Rezension von Bertram als Maßstab an, dann erweist diese sich als Interesse-geleitetes Geschwätz. Selbst die Neandertaler mussten bereits feste Bestimmungen haben, z. B. zwischen Hirsch und Mammut unterscheiden können, sonst hätten sie nicht 500.000 Jahre in der Natur überlebt. Ein heutiger gebildeter Mensch hat ein System von festen Bestimmungen in seinem Bewusstsein, auf das sich seine Ich-Identität stützen kann. Nur ein kruder Empirismus kann das leugnen.

Übrigens wissen Leute, die von „reiner Wahrheit“ oder „absoluter Wahrheit“ Sprechen, meist nicht, was sie sagen. Wahrheit ist die Übereinstimmung des Begriffs mit der Sache und wird in Gestalt von Urteilen ausgesprochen. Solche Wahrheiten sind also gerade nicht „rein“ oder „absolut“, sondern hängen von den (unreinen) Sachen ab. „Rein“ und „absolut“ können nur logische Wahrheiten oder transzendentale Bestimmungen (Kants) sein – und selbst die haben nur Bedeutung, wenn sie auf Empirisches beziehbar sind.

Im Laufe der Geschichte der Philosophie hat sich die philosophische Argumentation immer mehr verfeinert. Dies ignoriert Bertram völlig, indem er seinen inneren Theorie-Schweinehund loslässt und alle möglichen Vorurteile herausrülpst. Ein Beispiel dafür ist sein Ideologiebegriff als „Ideenlehre“. Man kann ihn so verwenden. Wenn aber Gaßmann in seinem Buch in einem eigenen Kapitel Ideologie als „notwendig falsches Bewusstsein zur Herrschaftssicherung“ bestimmt, dann redet der Rezensent an dem Werk von Gaßmann vorbei. Er kritisiert nicht den Autor, sondern ein Phantom, das er erfunden hat. Auch sein Gequatsche vom gesunden Menschenverstand ist in der Geschichte der Philosophie immer wieder Gegenstand der Kritik gewesen, weil diese Bestimmung auf Vorurteilen beruht, bloß situativ ist und das Ressentiment der philosophiefernen Leute ausdrückt, die sich nie um die tieferen Probleme der Menschen Gedanken gemacht haben.

Außerdem ist der sogenannte gesunde Menschenverstand, wenn er über das Unmittelbare hinausgeht, meist widersprüchlich. Das sieht man am Text von Bertram. Er pocht auf die Leistung von Werte und Normen-Lehrer, sieht ihre Arbeit von Gaßmann zersetzt und gibt zugleich zu, dass seine Werte nicht allgemein und nicht notwendig gelten. Ja, wieso bezieht er von der Regierung, deren Lied er singen will, überhaupt Geld für die Lehre von Unwahrheiten, also für Nichts? Er wirft Gaßmann moralischen Nihilismus vor, obwohl er ihn als Anhänger des kantischen Moralgesetzes bezeichnet, und vertritt selbst einen Skeptizismus, den man auch als moralischen Nihilismus bezeichnen kann. Bertram unterstellt Gaßmann, er wolle anstelle der Werte Gewalt setzen, obwohl das Buch gerade dies als Konsequenz aus den unbegründbaren Werten folgert, und entblödet sich nicht am Schluss seiner Rezension, den Kritiker mit Gefängnis zu drohen – im Widerspruch zu dem vorher propagierten Pluralismus. Er beruft sich auf „unsere Werte“ heute und Demokratie und ruft die DDR oder den Faschismus zu Hilfe, um Gaßmann abzuwatschen. Aber was kann man auch von einer verkalkten Internet-Landschaft, die sich als Öffentlichkeit simuliert, erwarten?

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