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Abstrakt


Bodo Gaßmann:
Kritik der Wertphilosophie und ihrer ideologischen Funktion
Über die Selbstzerstörung der bürgerlichen Vernunft

Garbsen 2014. ISBN 978-3-929245-08-0


(320 Seiten; geb. Broschur; Register; 19,50 €)
Zu beziehen über unseren Internet-Buchladen:

www.erinnyen.com


Da die meisten Menschen als fremdbestimmte keine Prinzipien haben, greifen sie auf die Klischees zurück, die in der vorherrschenden Meinung prägend sind. In der Moral sind dies die sogenannten Werte. Aus Unbehagen an diesem Unwort hat der Autor, selbst lange „Werte und Normen-Lehrer“ die Werttheorien analysiert.
Die Vernunftmoral Kants, die allgemein und notwendig begründet und selbst noch in Hegels Sittlichkeit aufgehoben war, blamierte sich systematisch an der entstehenden kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Ökonomie. Das hatte zur Folge, dass sie entweder zum theoretischen Maßstab der Kritik am Kapitalismus wurde (Marx) oder dass irrationale Moralkonzepte entwickelt wurden wie die Wertphilosophie, deren Begründer Lotze wurde. In seiner eklektischen Philosophie werden „induktive Metaphysik“, ontologisches Denken und „teleologischer Idealismus“ miteinander kombiniert, um aus der Unmittelbarkeit des Gemüts, das in einer Substanzialität der Seele anthropologisch verankert sein soll, „Werte“ zu begründen. Das Gemüt und das Gewissen können keine allgemeine Bestimmungen von Werten begründen, wie Lotze behauptet, weil sie historisch gewordene sind, die Triebstruktur der Gesellschaft beinhalten, durch Sozialisation und Erziehung Gleichzeitiges und Ungleichzeitiges ausdrücken. Erklären lässt sich die Begründung der Werte bei Lotze nur aus dem ideologischen Bedürfnis der bürgerlichen Klasse, was von Lotze auch direkt ausgesprochen wurde. Mit der irrationalen Begründung sittlicher Werte geht deshalb zugleich eine Abwertung der Vernunft einher, die im weiteren Verlauf des praktischen Denkens der bürgerlichen Philosophen zu einer „Zerstörung der Vernunft“ (Lukács) wurde, auf die sich der deutsche Faschismus bei seiner Machtübernahme 1933 verlassen konnte.
Der Wertbegriff, der erst bei Scheler auf moralische Werte beschränkt wird, hat schnell Karriere gemacht. Der Neukantianismus Windelbands will solche Werte aus dem „Normalbewusstsein“ begründen. Doch ein „Normalbewusstsein“ ist eine schiefe Deutung der transzendentalen Einheit der Apperzeption von Kant. War diese das formale kollektive Bewusstsein der Wissenschaft, das als Bedingung der Möglichkeit wahrer Wissenschaft erschlossen ist, so wird diese Differenz von Form und Inhalt in Windelbands „Normalbewusstsein“ unterschlagen, um aus diesem inhaltlich begründete Werte als in jedem Menschen der Gesellschaft verankert denken zu können. Dieses Normalbewusstsein ist aber das bürgerliche (idealistische), dem mit gleichen Recht ein proletarisches (materialistisches) entgegengestellt werden könnte.
Auch der Schüler von Windelband, Rickert, der das Denken auf die Bewusstseinsimmanenz restringiert, kann Werte letztlich nur aus dem Empfinden von Kulturmenschen erschließen, ohne Kriterien für solche Werte nennen zu können. Letztlich läuft es auf einen privilegierten Zugang bürgerlicher Edelspießer hinaus. Um die Werte aber doch gegen Kritik absichern zu können, erfindet er eine Sphäre der „Geltung“, die sich kaum noch von dem „idealen Ansichsein“ des Ontologen Hartmann unterscheidet. Rickerts Wertphilosophie wird zur Wissenschaftstheorie des Sozialogen Max Weber, sodass paradox dessen Forderung nach „Wertfreiheit“ nicht ohne zugrunde liegende Werte auskommt. Diese dienen als Auswahlkriterien für soziologische Tatsachen, sodass die Willkür der Werte auf die soziologische Untersuchung übertragen wird.
Werden Werte sowohl ontologisch abgesichert wie bei Lotze, als auch aus einem „Normalbewusstsein“ bestimmt, dann liegt der Verdacht nahe, sie lassen sich gar nicht objektiv begründen. Diese Konsequenz zieht Nietzsche, wenn er moralische Werte willkürlich je nach den Interessen des „Lebens“, des „Willens zur Macht“, gesetzt sehen will.
Aus der Kritik an der neukantianischen Bewusstseinsimmanenz ging von Husserl die Forderung, „zurück zu den Sachen“, aus, die Max Scheler zu seiner „materialen Wertethik“ veranlasste. Analog zu Husserls Epoché sollen aus dem Wertfühlen heraus moralische Werte begründet werden. Das emotionale Erkennen soll den gleichen Rang haben wie das verstandesgemäße. Dies ist nur denkbar, wenn es sich auf anthropologische Konstanten berufen kann. Diese sind jedoch aus der jeweiligen Zeit entnommen, also aposteriorisch, nicht apriorisch, wie Scheler behauptet. Entsprechend bedienen seine aus dem Fühlen gewonnenen Werte mehr das ideologische Bedürfnis des Bürgertums, als dass sie allgemein gültig sind, wie Scheler unterstellt. Sichtbar wird dies, wenn er aus seinem Begriff der Gerechtigkeit, der auf einer unterschiedlichen Werteordnung unter den Personen basiert, den Ersten Weltkrieg aus der angeblichen höheren Kultur der deutschen Nation rechtfertigt. Bei Scheler hat die „Zerstörung der Vernunft“ ihren Höhepunkt erreicht. Obwohl die Nazis schelers Bücher nicht mehr drucken ließen, war das Wertegeraune bis in ihre Propaganda vorgedrungen und das bürgerliche Denken hatte keine geistigen Mittel mehr, dem zu widerstehen.
Alle diese Wertphilosophien beanspruchen, moralische Werte objektiv zu begründen, obwohl ihre Begründungsvarianten irrational sind, auf ideologischen Bedürfnissen beruhen und deshalb das vernünftige Denken lädieren. Das gilt auch für die Ontologie von Nicolai Hartmann, der nur das phänomenologische Wertfühlen von Scheler präzisieren will. Ontologie aber setzt sich immer den Verdacht aus, diskursives Denken, in dem allein Sachverhalte sich darstellen lassen, zu hypostasieren.
Dagegen gibt es gegenwärtig kaum Wertphilosophien, die diesen Anspruch auf Objektivität beibehalten. Exemplarisch steht dafür habermas‘ „Diskursethik“. Bestenfalls sollen die Diskursregeln noch Anspruch auf Objektivität machen, allerding in einem generell „fallibilistischen“ Bewusstsein. Moralische Prinzipien, die Resultat des Diskurses sein sollen, können immer nur einen historischen Konsens erreichen. Und „sittliche Werte“ ließen sich überhaupt nicht über den Diskurs begründen, für sie gelte der „Wertpluralismus“ der Moderne. Habermas stimmt in diesem Punkt mit dem Positivismus überein, den er einst kritisiert hatte. Eine Ethik jedoch, die auf dem „Konsens“ beruht, ist nicht haltbar, weil sie in der Reduktion des Denkens auf Sprachphilosophie keinen Grund für objektives Denken findet. Konsens kann bestenfalls eine vorherrschende Meinung ausdrücken, beruht auf dem Fürwahrhalten, nicht aber auf Gewissheit, die nötig wäre, soll eine Moral ihr Aufgabe, die Gesellschaft zu befrieden, erfüllen. Habermas, der nicht von vornherein die ideologischen Bedürfnisse des Bürgertums bedienen will, wie die anderen Werttheoretiker, verschleiert mit seiner Diskursethik die gesellschaftlichen Verhältnisse und wird dadurch ebenfalls ideologisch.
Generell gilt, moralische Werte sind ideale Gebilde (wie platons Ideen), sie haben nichts mit der Wirklichkeit der Klassengesellschaft zu tun, können noch nicht einmal einen rationalen Bezug zu dieser Wirklichkeit schaffen. Da die Menschen als Lohnabhängige weitgehend fremdbestimmt handeln, ist eine Vernunftmoral, die auf der Autonomie beruht, generell am Verschwinden. Da andererseits Moral als Herrschaftsmittel benötigt wird, hat das Wertgeraune die Funktion, die unbeherrschbaren Mechanismen der kapitalistischen Ökonomie und ihrer Gesellschaft zu verschleiern.

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Letzte Aktualisierung:  13.10.2014

                                                                       
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